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Jürg Schwaller - «Es war mir eine Ehre, bei der WiKo mitzuwirken»

Nach maximaler Amtszeit tritt Jürg Schwaller von der Wissenschaftlichen Kommission zurück. Er hat – gemeinsam mit 18 Kolleginnen und Kollegen – geprüft, welche Forschungsvorhaben es wert sind, gefördert zu werden. Ihm sind Projekte wichtig, die ein für Patientinnen und Patienten relevantes Ziel verfolgen. Die meistens zwar nicht gleich zu neuen Therapien führen, aber zumindest die Möglichkeiten für neue Behandlungen ausloten.

Prof. Dr. med. Jürg Schwaller

Jürg Schwaller, Sie waren neun Jahre lang Mitglied in der Wissenschaftlichen Kommission, der WiKo ...
Ja, es war mir eine Ehre, bei der WiKo mitzuwirken. Das war sehr viel Arbeit, aber ich habe sie sehr gerne gemacht. Und ich habe unglaublich viel gelernt dabei. Denn man muss sich auch in andere Gebiete ausserhalb des eigenen Fachs einlesen, um die Forschungsgesuche beurteilen zu können. Am Anfang brauchte ich einen halben Tag pro Gesuch. Und weil ich das immer ausserhalb meiner Arbeitszeit gemacht habe, gingen jeweils vier Wochenenden im Frühling, und vier weitere im Herbst drauf. Heute habe ich einen grösseren Überblick und bin schneller im Prüfen. Aber es hat sich vielleicht eine gewisse Routine eingeschlichen. Für mich ist die Zeit gekommen, neuen Leuten Platz zu machen.

Wie werden die Forschungsgesuche geprüft?
Wenn Forschende ein Gesuch eingeben, landet es zuerst beim wissenschaftlichen Sekretariat, wo kontrolliert wird, ob es formal den Förderkriterien entspricht. Dann wird es zwei Mitgliedern der WiKo zugewiesen. Wenn mir ein Gesuch zugeteilt wird, schlage ich Namen von Forschenden vor, die das Gesuch inhaltlich beurteilen können. Gleichzeitig schauen meine Kollegin oder mein Kollege von der WiKo und ich uns das Gesuch an. Wenn die externen Gutachten vorliegen, treffen wir uns – mit dem Ziel, zu einer übereinstimmenden Einschätzung der Frage zu gelangen, ob ein Forschungsvorhaben es wert ist, gefördert zu werden, ja oder nein?

Was passiert dann?
Meistens ähneln sich unsere Bewertungen. Doch wenn wir uns uneinig sind, stehen Diskussionen an, die manchmal langwierig und nervenaufreibend sind. Und in die manchmal auch das ganze Gremium hineingezogen wird. Ich scheue solche Diskussionen nicht – und vertrete meine eigene Meinung auch gegen Widerstände. Ich bin gerne in Opposition, aber ich bin kein Querulant, mir geht es immer um die Sache.
Getan ist unsere Arbeit erst, wenn alle Gesuche grün-grün oder rot-rot sind. Ich finde dieses System mit der Doppel-Beurteilung gut, es ist schlank und effizient – und trotzdem gegen Missbrauch gesichert. Denn wir bewerten nur die Qualität der Gesuche. Wir fällen keine Förderentscheide, das macht der Stiftungsrat der Krebsforschung Schweiz und der Vorstand der Krebsliga Schweiz.

Womit zeichnet sich ein förderungswürdiges Forschungsgesuch aus?
Heute spielen umfassende Untersuchungen von Genen, Eiweissen und anderen Molekülen – die so genannten -omics – in der Wissenschaft eine grosse Rolle. Doch für mich steht immer die Bedeutung der Fragestellung im Vordergrund: Was können wir aus den vorgeschlagenen Versuchen lernen? Und wohin führen uns die erhofften Erkenntnisse?
Forschungsarbeiten, die sich unmittelbar in der Klinik umsetzen lassen, sind sehr selten. Aber auch bei den anderen Projekten ist mir wichtig, dass sie ein für Patientinnen und Patienten relevantes Ziel verfolgen. Ich lege Wert auf die so genannte translationale Forschung. Sie mag zwar nicht gleich zu neuen Therapien führen, aber sie lotet zumindest die Möglichkeiten für neue Behandlungen aus.

Nicht alle grün-grünen Gesuche erhalten Geld.
Ja, die Krebsforschung ist eine teure Angelegenheit. Und die Mittel sind leider begrenzt. Ich engagiere mich auch bei der Gertrud Hagmann-Stiftung, die auf meinen Vorschlag hin je nach finanziellen Möglichkeiten eines dieser förderungswürdigen Forschungsgesuche übernimmt. Wir möchten damit vor allem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen. Und in Zukunft ein Netzwerk unter den geförderten Forschenden bilden.
In einer offenen, vernetzten Welt gedeiht die Wissenschaft am besten. Das Gegenteil davon ist der Krieg. Auch aus diesem Grund mache ich mir wegen der russischen Invasion in die Ukraine sehr grosse Sorgen.

Prof. Dr. med. Jürg Schwaller
Arzt, der Krebsforscher geworden ist

Jürg Schwaller ist in Solothurn geboren und hat an der Universität Bern Medizin studiert. «Ich wollte eigentlich Chirurg werden, nie Wissenschaftler», sagt Schwaller. Doch dann hat ihn als Assistent der Pathologie an der Universität Zürich die Neugier und Forschungslust gepackt. Er forschte zuerst in Bern, dann an der Harvard Medical School an den Grundlagen von Blutkrebs, und kehrte nach knapp vier Jahren in die Schweiz zurück, wo er fünf Jahre lang ein Labor für klinische molekulare Pathologie der Universität Genf führte. Seit 2004 leitet er am Departement Biomedizin der Universität Basel und des Kinderspitals beider Basel eine Forschungsgruppe, die den Mechanismen von Leukämien im Kindesalter auf den Grund geht. Jürg Schwaller war von 2014 bis 2022 Mitglied der WiKo.