Fällt es den Personen, die die Schulung durchlaufen haben, nachher leichter, über das Sterben zu sprechen?
Guttormsen: Ja, das zeigen unsere Daten eindeutig. Kommunikation ist im Prinzip ein logischer Prozess – und als solcher lernbar. Wir haben diesen logischen Prozess in seine Einzelteile zerlegt und aus diesen Teilen dann ein Lernmodul gebaut. So können die Studierenden den Prozess Schritt für Schritt erlernen – und ihn verinnerlichen. Und sich später mit einem freieren Kopf ihren Patientinnen und Patienten widmen.
Eychmüller: Trotzdem: Das Sprechen über Sterben ist ein besonderes Thema. Denn in der Medizin sind wir so erzogen, dass wir das Leben erhalten wollen. Wir hadern damit, wenn wir dieses hehre berufliche Ziel nicht erreichen, obwohl das Sterben nüchtern betrachtet zum Leben gehört. In solchen schwierigen Momenten ist es hilfreich, wenn es ein Gerüst gibt, an dem man sich halten und orientieren kann. Und wenn man im Team gemeinsam über die Herausforderungen sprechen kann.
In Ihrem Projekt haben Sie gesehen, dass die Schulung den Medizinstudierenden mehr als den Pflegefachpersonen die Angst genommen hat. Wie erklären Sie sich das?
Guttormsen: Wir haben die Lerneffekte mit einer kontrollierten Studie gemessen – und sehr schöne Resultate erhalten, um die ich wirklich froh bin. Die meisten Medizinstudierenden haben noch nie mit einer Person über ihr Sterben gesprochen. Deshalb mussten sie eine grosse Wissenslücke füllen. Das ist ihnen gelungen, wie wir nachgewiesen haben. Bei den Pflegefachpersonen ist der Lerneffekt kleiner, weil ihre Wissenslücke von Anfang an kleiner war.
Eychmüller: Bei unserem Forschungsprojekt ist auch herausgekommen, dass die Pflegenden das Sprechen über das Sterben nicht als ihre Aufgabe betrachten, sondern in erster Linie als eine Aufgabe der Ärzteschaft. Für mich zeigt das, dass es sehr wichtig ist, sich im Team auszutauschen. Um zum Beispiel zu definieren: Wer kennt den Patienten oder die Patientin am besten? Und wer fühlt sich im Moment auch emotional gut genug gerüstet, um ein solches Gespräch durchzuführen?
Wie blicken Sie auf Ihre Zusammenarbeit zurück?
Guttormsen: Aus meiner Sicht war sie sehr gut und von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Für mich war das quasi ein Idealfall, wie ein interdisziplinäres Projekt laufen soll: Wir hatten von Anfang an das gleiche Verständnis, was unser Ziel ist, und haben uns perfekt mit unseren Kenntnissen ergänzt.
Eychmüller: Dieses Pingpong, das wir zwischen Klinik und medizinischer Lehre gespielt haben, ist meiner Meinung nach absolut ein Modell für die Zukunft. Ich bin sehr dankbar für die Fördermittel, sie haben uns erlaubt, ein Thema zu bearbeiten, das sonst nur wenig Aufmerksamkeit bekommt. Denn im Allgemeinen spielt die Kommunikation im Gesundheitswesen immer noch eine untergeordnete Rolle. Mit unseren Resultaten können wir zeigen, dass es für das Sprechen über das Sterben ein evidenzbasiertes Vorgehen – und auch Qualitätsansprüche – gibt. Hoffentlich hilft das, der Kommunikation als medizinische Intervention einen grösseren Stellenwert zu verleihen. Wir wollen alle gute Kommunikation erleben, aber das geht nur, wenn die Fachpersonen ihre Kenntnisse auch trainieren können. Erst die Übung macht den Meister.
Aber sind die Fachpersonen auch bereit, sich aufs Üben einzulassen?
Guttormsen: Die Studierenden besuchen unsere Kommunikationskurse sehr gerne. Sie spüren, dass sie etwas lernen, das sie brauchen können. Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Aspekt: die Selbstwirksamkeit. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht über das Sterben sprechen kann, dann führt das zu einer Vermeidungshaltung. Wenn ich aber im Kurs merke, doch, ich kann solche Situationen meistern, dann belasten sie mich auch weniger.
Eychmüller: Ja, das ist so. Du springst eher ins Schwimmbecken, wenn Du weisst, dass Du schwimmen kannst.