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Eine immuntherapeutische Impfung bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist besonders heimtückisch: Der Tumor bildet eine dichte, faserreiche Schicht aus Bindegewebe, die ihn wie ein Schutzschild umgibt. Dadurch wird es sowohl für Medikamente als auch für Immunzellen schwieriger, den Tumor zu erreichen. Ein Forschungsteam der Universität Zürich hat nun eine neuartige Impfung entwickelt, die diese faserreichen Strukturen in der Tumorumgebung gezielt angreift, und damit neue Hoffnung in der Behandlung schafft.

«Für mich und mein Team war es eine grosse Ehre und ein bedeutender Meilenstein, dieses Projekt durchführen zu können. Dank der Förderung konnten wir einen mutigen, innovativen Weg beschreiten. Gerade bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, einer der aggressivsten und therapieresistentesten Krebsarten, ist es von unschätzbarem Wert, neue Wege zu erproben.»

Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört mit rund 1400 Todesfällen pro Jahr in der Schweiz zu den tödlichsten Krebserkrankungen. Trotz medizinischer Fortschritte bleibt die Prognose bei Bauchspeicheldrüsenkrebs schlecht: Rund 87 Prozent der Betroffenen sterben innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Eine der Hauptursachen ist die hohe Resistenz dieser Tumorart gegenüber bestehenden Therapieformen – nicht zuletzt aufgrund ihrer besonderen, abgeschirmten Struktur. 

 

Eine Schutzmauer aus Bindegewebe 

Ein zentrales Merkmal von Bauchspeicheldrüsenkrebs ist die sogenannte Fibrose, eine krankhafte Vermehrung von dichtem Bindegewebe in der Tumorumgebung. Diese Verhärtung verhält sich ähnlich wie eine innere Narbe. Sie erschwert die Durchblutung und verhindert, dass Immunzellen oder Medikamente die Krebszellen effektiv erreichen und bekämpfen können. Verursacht wird die Fibrose massgeblich durch sogenannte krebsassoziierte Fibroblasten (KAFs). Fibroblasten sind Zellen des Bindegewebes, die wichtige Bestandteile wie Proteine (z.B. Kollagen) herstellen und so für Stabilität und Struktur im Gewebe sorgen. In der Tumorumgebung fördern KAFs jedoch nicht nur das Tumorwachstum, sondern auch die Therapieresistenz und Metastasierung.  

Trotz ihrer Schlüsselrolle in der Tumorumgebung existieren bisher kaum gezielte Therapieansätze gegen KAFs. Bisherige Therapieansätze konzentrieren sich vor allem auf die Tumorzellen selbst. Genau hier setzte das Forschungsprojekt von Christian Stockmann, Professor am Institut für Anatomie der Universität Zürich, an. Das Forschungsteam hat eine immuntherapeutische Impfung entwickelt, die sich gezielt gegen ein Protein namens ADAM12 richtet. Dieses Protein kommt hauptsächlich in aktivierten Fibroblasten vor, also genau in jenen Zellen, die für die Bildung der fibrotischen Schutzschicht verantwortlich sind. Ziel der Forschenden war es, das Immunsystem durch die Impfung so zu aktivieren, dass es die KAFs erkennt, angreift und zerstört, ohne dabei gesundes Gewebe zu schädigen. 

 

Gezielter Angriff auf die Tumorumgebung 

In verschiedenen Mausmodellen zeigte die Impfung einen deutlichen therapeutischen Effekt: Die Tumore wuchsen langsamer und blieben deutlich kleiner. Die Zahl der Fibrose verursachenden KAFs nahm ab, und damit auch die Menge des dichten Bindegewebes um den Tumor herum. Zudem veränderte sich die Zahl bestimmter Immunzelltypen in der Tumorumgebung. So nahm die Zahl von Immunzellen, die Entzündungen fördern, ab, während die Zahl bestimmter Subtypen sogenannter T-Zellen zunahm. Genauere Analysen des Tumorgewebes zeigten ausserdem eine erhöhte Aktivität dieser T-Zell-Subtypen gegen Tumorzellen, die ADAM12 auf ihrer Oberfläche tragen. Dies deutet darauf hin, dass die Impfung eine gezielte Reaktion des Immunsystems gegen den Tumor ausgelöst hat. 

Ein häufig diskutiertes Risiko bei der Zerstörung von Fibroblasten besteht darin, dass auch gesundes Gewebe, beispielsweise wichtige Stützzellen von Blutgefässen, unbeabsichtigt betroffen sein können. Dies könnte zu einer schlechteren Sauerstoffversorgung führen und das Tumorwachstum sogar fördern. In diesem Fall zeigte sich jedoch das Gegenteil: Die Impfung verbesserte die Gefässstruktur und reduzierte den Sauerstoffmangel im Tumor. Dadurch sank die Aggressivität der Tumorzellen und Lebermetastasen traten seltener auf.

Die Impfung ebnet anderen Therapien den Weg  

In einem nächsten Schritt zielten die Forschenden in einem kombinierten Ansatz darauf ab, die Tumorumgebung durch die Impfung empfänglicher für klassische Therapien zu machen. In früheren Studien konnte bereits gezeigt werden, dass eine Reduktion der starken Bindegewebsbildung im Tumor die Durchblutung verbessert und somit die Wirksamkeit von Chemotherapien erhöht. 

Tatsächlich verbesserte die Impfung die Durchblutung des Tumors so weit, dass sich das Medikament besser verteilen konnte. Im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie war die Zerstörung der Tumorzellen deutlich ausgeprägter und die Zahl der schnell wachsenden Tumorzellen nahm ab. Doch die Impfung beeinflusste nicht nur die Wirksamkeit von Chemotherapien. Erste Ergebnisse in Kombination mit Immuntherapien deuten darauf hin, dass die Impfung auch die Wirksamkeit dieser Therapien verbessern kann.  

 

Nächste Schritte in Richtung klinischer Anwendung 

Diese Ergebnisse machen Hoffnung und eröffnen eine neue therapeutische Perspektive für Betroffene mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, für den es bislang kaum wirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt. Die Impfung gegen KAFs könnte in Zukunft dazu beitragen, die Tumore weniger aggressiv zu machen und sie für Chemo- und Immuntherapien besser erreichbar zu machen.  

Als Nächstes möchten die Forschenden ihre Untersuchungen auf weitere Krebsarten mit fibrotischer Tumorumgebung ausweiten, wie etwa Leber-, Magen-, Speiseröhren-, Darm- oder Gebärmutterhalskrebs. Ausserdem wollen sie weiter erforschen, welche Subtypen von Fibroblasten besonders relevant für das Fortschreiten von Tumorerkrankungen sind. All diese Erkenntnisse sollen auch der Vorbereitung klinischer Studien dienen, um die Sicherheit und die Wirksamkeit der Impfung beim Menschen zu evaluieren. 

 

Projekt-Nummer: KFS-5402-08-2021 

 

Publikation: 

Chen J., Sobecki M., Krzywinska E., Thierry K., Masmoudi M., Nagarajan S., Fan Z., He J., Ferapontova I., Nelius E., Seehusen F., Gotthardt D., Takeda N., Sommer L., Sexl V., Münz C., DeNardo D., Hennino A., Stockmann C.: „Fibrolytic vaccination against ADAM12 reduces desmoplasia in preclinical pancreatic adenocarcinomas.“ EMBO Mol Med. 2024 Dec;16(12):3033-3056. https://doi.org/10.1038/s44321-024-00157-4

 

Das Projekt wurde von der Krebsforschung Schweiz in Zusammenarbeit mit sechs weiteren Stiftungen ermöglicht. Namentlich erwähnen dürfen wir die Anne und Peter Casari-Stierlin Stiftung, die Stiftung Schwab Seubert und die Werner Geissberger Stiftung.