Angehäufter Wissens- und Erfahrungsschatz
Ihre Gesundheitsdaten werden dabei elektronisch erfasst – und fliessen in eine zentrale Datenbank, wo sie für epidemiologische Auswertungen zur Verfügung stehen. «Mit diesen Daten hat die Forschungsabteilung von Kaiser Permanente schon mehrere richtungweisende Studien auf dem Gebiet der Darmkrebsvorsorge veröffentlicht», sagt Selby. Er selbst hat die Daten genutzt, um etwa nachzuweisen, dass eines der Verfahren, um einen Darmkrebs früh zu erkennen, der so genannte immunochemische Blut-im-Stuhl-Test, bei Männern besser funktioniert als bei Frauen. «Das hat damit zu tun, dass sich die Krebsvorstufen bei Frauen meist weiter vorne im Darm entwickeln – und deshalb schlechter nachgewiesen werden können», erklärt Selby. Seine Resultate sprächen dafür, inskünftig nicht nur einen, sondern verschiedene Schwellenwerte für den Test zu definieren.
2018 kehrt Selby mit seinem angehäuften Wissens- und Erfahrungsschatz zurück in die Schweiz. «Das Stipendium und die für den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen bestimmte Zeit waren enorm hilfreich für mich», sagt Selby. In Lausanne setzt er seine Karriere als klinisch tätiger Forscher fort und nimmt wieder die Aufgaben an der «Schnittstelle von klinischer Arbeit in der Grundversorgung und innovativer Forschung» wahr, die ihm entsprechen. Auch seinem Thema bleibt er treu: Im April 2021 lanciert Selby eine klinische Studie, mit der er die Darmkrebsvorsorge verbssern will. Finanziell wird die Studie unter anderem von der Krebsliga Schweiz gefördert.
Zehn Mal grösserer Nutzen bei gleichem Risiko
An der Studie nehmen insgesamt über 500 Menschen teil. Alle erhalten einen Brief vom kantonalen Darmkrebs-Früherkennungsprogramm. Die Hälfte kriegt einen Brief mit allgemeinen Empfehlungen, etwa alle zehn Jahre eine Darmspiegelung zu machen. «Doch der absolute Nutzen der Darmspiegelung ist für einen 68-jährigen, übergewichtigen Raucher zehn Mal grösser als für eine 50-jährige, schlanke Nichtraucherin – obwohl die mit dem Eingriff verbundenen Risiken und Belastungen für beide ähnlich sind», sagt Selby. Die andere Hälfte der Studienteilnehmenden bekommt deshalb einen Brief mit weitergehenden Informationen zu ihrem individuellen Darmkrebsrisiko – und daran angepasste Empfehlungen.
Von solchen Einladungen, die den persönlichen Nutzen gegen die Risiken abwägen, erhofft sich Selby, dass sie erstens dafür sorgen, dass Personen mit niedrigem Darmkrebsrisiko vor belastenden Untersuchungen und ihren möglichen Nebenwirkungen möglichst verschont bleiben. Und zweitens könnten die personalisierten Empfehlungen dazu beitragen, die begrenzten Ressourcen in der Früherkennung verstärkt auf Personen mit hohem Darmkrebsrisiko zu richten und diese Menschen vielleicht zusätzlich motivieren, sich vorsorglich untersuchen zu lassen. Ob sich Selbys Hoffnungen bestätigen, muss sich weisen – die Studie läuft noch bis Ende Jahr. Allerdings wäre das nicht nur ihm zu wünschen: In der Schweiz sterben jedes Jahr 1700 Menschen an Darmkrebs. «Viele dieser Todesfälle liessen sich durch eine optimale Darmkrebsvorsorge verhindern», sagt Selby.