Gemäss internationalen Untersuchungen passieren in der Onkologie zwar weniger Fehler bei der Medikamentengabe als in anderen Bereichen der Medizin – doch weil Chemotherapeutika starke Nebenwirkungen haben, können Missgriffe in der Krebsbehandlung zu besonders grossen Schäden führen. Dementsprechend umfassend sind die Strategien zur Fehlervermeidung. In der Schweiz am stärksten verbreitet ist die sogenannte Doppelkontrolle, bei der zwei verschiedene Personen im Vier-Augen-Prinzip überprüfen, ob die korrekten Medikamente in der richtigen Dosis verabreicht werden.
«Intuitiv leuchtet die Doppelkontrolle ein», sagt David Schwappach von der Stiftung für Patientensicherheit in Zürich. Doch sei noch nicht erforscht, ob sich der zusätzliche Aufwand lohne – oder ob er sich sogar negativ auf die Patientensicherheit auswirke. Denn der zweite Kontrollblick kann etwa zu häufigeren Unterbrüchen in den Arbeitsabläufen des Pflegepersonals führen, die zerstückelte Arbeit für mehr Hektik – und mehr Irrtümer – sorgen. Denkbar ist auch, dass das Vier-Augen-Prinzip zu einer falschen Sicherheit verleitet. Und dass einer Person vielleicht eher Fehler unterlaufen, wenn sie nicht die alleinige Verantwortung trägt, sondern davon ausgeht, dass allfällige Missstände noch von einer anderen Person behoben werden. Doch wenn diese weiss, dass vor ihr schon jemand Dosis und Medikament geprüft hat, werden ihr eher Fehler entgehen.
In einem von der Stiftung Krebsforschung Schweiz geförderten Projekt untersucht Schwappach mit seinem Team deshalb, wie die Pflegenden und die Ärzteschaft die Doppelkontrolle bei der Verabreichung von Chemotherapien konkret umsetzen. Das Forschungsprojekt soll mögliche Schwachstellen ausmachen und Verbesserungen vorschlagen: Damit eine abgeänderte – und wirklich unabhängige – Doppelkontrolle tatsächlich die Fehlerrate bei der Medikamentenabgabe senken und so die Sicherheit von Krebspatienten erhöhen kann.
Ausserdem hat die Gruppe um Schwappach die im Rahmen eines früheren Projektes erarbeiteten wissenschaftlichen Grundlagen in einer Schriftenreihe namens «Wenn Schweigen gefährlich ist – Speak Up für mehr Sicherheit in der Patientenversorgung» praxisnah aufgearbeitet. Oft spielen Kommunikationsprobleme bei medizinischen Fehlern eine zentrale Rolle, denn viele Personen sind sich den Risiken der jeweiligen Situation bewusst, äussern aber ihre Bedenken nicht. Diese Bedenken aber anzusprechen, sei ein entscheidendes Element der interdisziplinären Zusammenarbeit, meint Schwappach, der die neue Schriftenreihe als konkrete Handlungsanleitung für die klinische Praxis konzipiert hat.
Projekt-Nummer: KFS-3496-08-2014