Krebsforschung SchweizUnser EngagementWir unterstützen ForschendeBeispielhafte wissenschaftliche VorhabenEiner kombinierten Strahlentherapie den Weg bereiten

Einer kombinierten Strahlentherapie den Weg bereiten

Protonen verursachen weniger Nebenwirkungen als Röntgenstrahlen. Doch weil die Protonentherapie technisch aufwendig und sehr teuer ist, kommt sie bisher nur bei einer kleinen Minderheit von Krebsbetroffenen zum Einsatz. Wie könnte man die Protonentherapie zugänglicher machen?

Jan Unkelbach forscht an einer nebenwirkungsärmeren Strahlentherapie.

Ungefähr die Hälfte aller Krebspatientinnen und -patienten erhalten im Rahmen ihrer Behandlung eine Bestrahlung. Dabei versucht man, die Krebszellen mit Hilfe von hochenergetischen Strahlen abzutöten. Doch die Strahlen ziehen auch das umliegende Gewebe in Mitleidenschaft. Das gilt umso mehr für Röntgenstrahlen, weil sie – im Gegensatz zu den Protonen – den Körper durchqueren. Und so auch das gesunde Gewebe hinter dem Tumor schädigen (siehe Kasten). «Über den Daumen gepeilt verringert die Protonentherapie die Belastung des gesunden Gewebes um den Faktor zwei bis drei. Deshalb gilt sie als überlegene Form der Strahlentherapie», sagt Jan Unkelbach, Forschungsgruppenleiter für medizinische Physik an der Klinik für Radio-Onkologie des Universitätsspitals Zürich. 
 

Anlage ohne tonnenschweres Stahlgerüst 

Allerdings ist die Protonentherapie technisch anspruchsvoll und sehr teuer. In der Schweiz bietet derzeit einzig das Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen eine Bestrahlung mit Protonen an. «Weltweit gibt es etwas mehr als 100 Anlagen für die Protonentherapie – und mehr als 10 000 Geräte für die Röntgenstrahlentherapie», führt Unkelbach ins Feld. «Deshalb erfolgen heute nur etwa ein Prozent der Bestrahlungen mit Protonen.» Zusammen mit seinem Team und Kooperationspartnern am PSI hat Unkelbach in einem von der Stiftung Krebsforschung Schweiz geförderten Forschungsprojekt verschiedene Möglichkeiten ausgelotet, wie man die Protonentherapie einer grösseren Anzahl von Patientinnen und Patienten zugänglich machen kann. 

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Idee, Protonen- mit Röntgenstrahlen zu kombinieren. So hat das Team um Unkelbach etwa untersucht, welche Behandlungsqualität sich mit einer vereinfachten Protonentherapieanlage erreichen liesse, die ohne das mehr als 100 Tonnen schwere Stahlgerüst (oder im Fachjargon: ohne die Gantry) auskommt. In den Protonentherapiezentren dient dieses Gerüst dazu, den Protonenstrahl in alle möglichen Richtungen lenken zu können, damit die auf dem Behandlungstisch liegende krebskranke Person aus dem optimalen Winkel bestrahlt werden kann. 

 

Eingeschränkten Bestrahlungswinkel ausgleichen 

Ein Protonenbeschleuniger ohne dieses riesige Gerüst würde zwar nur einen Strahl mit starrer Richtung produzieren, doch dafür wäre das Gerät «recht kompakt und könnte zu deutlich geringeren Kosten auch in einem bestehenden Spital installiert werden», meint Unkelbach. Im hypothetischen Szenario der Forschenden ist der starre Protonenstrahl auf ein Patientenbett in einem konventionellen Röntgentherapieraum gerichtet. Wenn ein Roboterarm das Bett ein Stück weit nach links oder rechts dreht, wird die Patientin oder der Patient aus unterschiedlichen Winkeln bestrahlt. «Jedoch nur von der Seite und beispielsweise nicht von vorne oder hinten», erklärt Unkelbach. 

Er und sein Team haben mit Modellrechnungen belegt, dass man diese Einschränkung im Bestrahlungswinkel mit gleichzeitig verabreichten Röntgenstrahlen ausgleichen kann. Die Röntgenstrahlen töten das Tumorgewebe ab, das von den Protonen nicht erreicht werden kann. «Wir haben nachgewiesen, dass sich durch die Kombination eines vereinfachten Protonentherapiesystem mit der klassischen Röntgentherapie eine sehr gute Behandlungsqualität erreichen lässt», sagt Unkelbach. «Und dass Krebskranke mit den am häufigsten bestrahlten Tumorarten – also mit Tumoren in der Prostata, in der Brust, in der Lunge sowie an Kopf und Hals – dank einer geringeren Strahlenbelastung von kombinierten Behandlungen profitieren würden.»  
 

Entwicklung ging bisher in die andere Richtung 

Doch leider haben diese ermutigenden Resultate einen Haken: Ein solches vereinfachtes Protonentherapiesystem gibt es (noch) nicht. «In den letzten Jahrzehnten ging die Entwicklung in die andere Richtung: Das Ziel war immer, ein möglichst perfektes Gerät zu bauen», sagt Unkelbach. Obwohl die Ergebnisse seines Teams an Fachkongressen auf ein grosses Interesse gestossen seien, habe er in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der marktführenden Unternehmen nur zurückhaltende Signale empfangen. «Wir können mit unserer Forschung zwar das vorhandene Potenzial der kombinierten Strahlentherapie aufzeigen», sagt Unkelbach. «Aber ob die Industrie die kostspielige Entwicklung eines vereinfachten Protonentherapiesystems in Angriff nehmen will, entscheidet sie selbst.» 

Wie unterscheiden sich Röntgen- von Protonenstrahlen? 

Die konventionelle Strahlen- oder auch Radiotherapie verwendet Röntgenstrahlen. Sie gehören wie das Sonnenlicht zu den elektromagnetischen Wellen. Röntgenstrahlen bestehen aus so genannten Photonen, die massenlos sind und unseren Körper deshalb durchqueren können. Protonen hingegen sind positiv geladene Bestandteile von Atomkernen. Weil sie über eine Masse verfügen, werden sie im Körper dauernd abgebremst, bis sie zum Stillstand kommen. Dabei gilt: Je grösser ihre Anfangsgeschwindigkeit, desto tiefer dringen sie in den Körper ein. Im Ziel geben die Protonen ihre Energie ab. So entfalten sie ihre grösste Wirkung im Tumor selbst. Hinter dem Zielgewebe fällt die Strahlendosis innerhalb von wenigen Millimetern auf null ab.