Krebsforschung SchweizUnser EngagementWir unterstützen ForschendeBeispielhafte wissenschaftliche VorhabenKrebszellen verstecken sich hinter einem Schutzschild aus Zucker

Krebszellen verstecken sich hinter einem Schutzschild aus Zucker

Ein von der Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstütztes Projekt kommt zum Schluss, dass Krebszellen ihre Oberfläche mit besonders vielen Zuckermolekülen schmücken, um dem körpereigenen Abwehrsystem zu entgehen. Diese Erkenntnisse weisen einer verbesserten Wirksamkeit von Immuntherapien den Weg.

Zuckermoleküle finden sich auf der Oberfläche aller menschlichen Zellen, das ist der Wissenschaft seit längerem bekannt. So wisse man zum Beispiel schon seit über 70 Jahren, dass Tumorzellen die Zusammensetzung ihrer Zuckerschicht verändern, wenn sie entarten, sagt Stephan von Gunten, Professor für Pharmakologie an der Universität Bern. Doch bis vor Kurzem blieb es der Forschung verwehrt, genauer hinzuschauen. Es braucht hochentwickelte Technologien, um die chemische Komplexität der verschiedenen Zucker und ihre Rolle in der Zellkommunikation aufzuschlüsseln. Einen wesentlichen Beitrag dazu haben von Gunten und sein Team nun geleistet.

In aufwändigen Versuchen haben sie nachgewiesen, dass zytotoxische T-Zellen (die bei gesunden Menschen Tumorzellen aufspüren – und abtöten – können) ein zusätzliches Rezeptormolekül namens Siglec-9 ausbilden, wenn sie sich in der Umgebung eines Tumors aufhalten. Siglec-9 bindet an bestimmte Zucker – und signalisiert der Abwehrzelle, dass alles in Ordnung ist. So wird die Immunreaktion unterbunden, die zur Bekämpfung des Tumors eigentlich bitter nötig wäre. «Dass Krebszellen besonders viele der schützenden Zuckermoleküle auf ihrer Oberfläche haben, ist eine Anpassungsreaktion», sagt von Gunten. «Diejenigen Zellen, die sich mit einem Schutzschild aus Zucker ausrüsten, werden weniger eliminiert.»

Das Team um von Gunten hat die Experimente an Biopsien von Patientinnen und Patienten mit einem bösartigen Hautkrebs, einem sogenannten Melanom, durchgeführt. Doch der Siglec-9-Signalweg könnte nicht nur bei dieser Krebsart von Relevanz sein, weil auch auf den Oberflächen von Brust-, Lungen-, Darm- und Nierenkrebszellen überdurchschnittlich viele der entsprechenden Zuckermoleküle nachgewiesen wurden.

Von der Wirkung her lässt sich Siglec-9 mit den sogenannten Immuncheckpoints vergleichen, deren Entdecker im Jahr 2018 den Medizin-Nobelpreis erhalten haben. Tatsächlich hat die Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren mitunter spektakuläre Erfolge gezeitigt. Allerdings wirkt die Behandlung nur bei einer Minderheit der Patientinnen und Patienten. Für die Mehrheit braucht es neue Ansätze, um die Behandlung auch bei ihnen erfolgreich zu machen. Hier sieht von Gunten viel Potential zur Umsetzung seiner Erkenntnisse. Weil der Siglec-9-Schaltkreis auf die Tumormikroumgebung beschränkt ist, könnte man mit seiner Umgehung gezielt die sogenannten Tumor-infiltrierenden T-Zellen aktivieren. Also genau diejenigen Immunzellen, auf die es besonders ankommt, weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

Projekt-Nummer: KFS-3941-08-2016